Dosierung bei Niereninsuffizienz
Enoxaparin
 
Q0 * 0.23 Schätzwert anhand von pharmakokinetischen Änderungen bei Niereninsuffizienz [1,2].
HWZ ** 7 h HWZ der Anti-Xa-Aktivität nach wiederholter Gabe [15].
Allgemeines Eine Dosis von 1 mg Enoxaparin-Natrium entspricht 100 IE Anti-Xa-Aktivität [15].
Anhand des Akkumulationsverhaltens nach wiederholter Gabe [2] lässt sich auf eine terminale Halbwertszeit im Bereich von etwa 15-20 h schließen, die bei wiederholter Dosierung wirkungsbestimmend wird.
UAW an der Niere und Harnwegen Nicht beschrieben [15].
UAW bei niereninsuffizienten Patienten Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist die Exposition gegenüber Enoxaparin erhöht, wodurch das Risiko für Blutungen ansteigt [9,15].
Das Risiko unter Enoxaparin eine Hyperkaliämie zu entwickeln, kann bei Niereninsuffizienz erhöht sein [10,11,15].
Studien bei Niereninsuffizienz Stratifizierung der Dosierung nach Kreatinin-Clearance und Körpergewicht führte zu signifikant weniger Blutungsereignissen bei scheinbar gleichbleibender Wirksamkeit (n = 122, Kreatinin-Clearance > 10 ml/min) [3]. In der "stratifiziert" behandelten Gruppe lagen 70 % der Patienten mit Niereninsuffizienz im therapeutischen Bereich im Vergleich zu 43 % in der "konventionell" behandelten Gruppe [4].
  • Bei einem Gewicht < 100 kg wurde 1 mg/kg (absolutes Körpergewicht) s.c. alle 12 h gegeben.
  • Bei einem Gewicht > 100 kg wurde 1.5 mg/kg (lean body weight, LBW!) s.c. alle 12 h gegeben.
    • LBW (Männer) = 1.1 * Gewicht [kg] - 120 * (Gewicht [kg] / Größe [cm] )2.
    • LBW (Frauen) = 1.07 * Gewicht [kg] - 148 * (Gewicht [kg] / Größe [cm] )2.
  • Bei Niereninsuffizienz mit Kreatinin-Clearance < 50 ml/min (berechnet nach Cockcroft & Gault, aber unter Verwendung des Idealgewichtes IBW) wurde zunächst 48 h normal dosiert (d.h. 4 Startdosen) und danach die Einzeldosis für alle weiteren Gaben reduziert, bei einem unveränderten Dosierungsintervall von 12 h. Verwendet wurde bei Kreatinin-Clearance 40-49 ml/min: 60 %, bei Kreatinin-Clearance 30-39 ml/min: 50 %, bei Kreatinin-Clearance 20-29 ml/min: 40 % und bei Kreatinin-Clearance 10-19 ml/min: 30 %.
    • IBW = 45.4 + 0.89 (Größe [cm] - 152.4) + 4.5 (bei Männern).
Das Ausmaß der Elimination von Enoxaparin durch Hämodialyse ist unklar. Da Enoxaparin ein mittleres Molekulargewicht von 4.500 Dalton hat, ist zu erwarten, dass dieses mit High-Flux-Filtern, aber nicht mit Low-Flux-Filtern dialysierbar ist. Begrenzte Daten deuten auf eine Dialysierbarkeit mit High-Flux-Filtern hin [5,6].
Bei nierengesunden Schwangeren [7] und Intensivpatienten [8] wurden eine erhöhe Enoxaparin-Clearance bzw. ein erhöhter Enoxaparin-Bedarf beschrieben.
Renale Kontraindikation Keine angegeben [15].
Bei Kreatinin-Clearance < 15 ml/min wird eine Anwendung nicht empfohlen (Ausnahme: Anwendung während der Hämodialyse) [15].
* Q0 = Extrarenal ausgeschiedener bioverfügbarer Dosisanteil bei normaler Nierenfunktion
** HWZ = Dominante Eliminationshalbwertszeit bei normaler Nierenfunktion
 
Klinisches Management
Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung von Enoxaparin notwendig. Basierend auf den aktuellen Daten kann eine endgültige Empfehlung nicht gegeben werden.
'Low-Dose'-Antikoagulation zur Prophylaxe venöser thrombotischer Erkrankungen:
  • Kreatinin-Clearance 15-30 ml/min: 20 mg s.c. einmal täglich.
  • Bei Kreatinin-Clearance < 15 ml/min sollte Enoxaparin nicht angewendet werden.
Monitoring:
  • Besonders engmaschige Kontrolle auf Blutungszeichen,
  • Serumkalium.
'Full-Dose'-Antikoagulation:
Der Hersteller geht davon aus, dass bis zu einer Kreatinin-Clearance von 30 ml/min keine Dosisanpassung erforderlich ist.
Bei einer Kreatinin-Clearance von 15-30 ml/min wird eine normale Dosis von 1 mg/kg bei einer Verlängerung des Dosierungsintervalles von 12 h auf 24 h empfohlen [15].
Kommentar: Ein Dosierungsintervall von 24 h ist möglicherweise nicht optimal, da intermittierend kurze Phasen mit subtherapeutischer Aktivität zu erwarten sind [1]. Eine Dosisanpassung von Enoxaparin ab einer Kreatinin-Clearance < 50 ml/min, mit Reduktion der Einzeldosis bei unverändertem Dosierungsintervall von 12 h, ist mit weniger Blutungsereignissen assoziiert [3]. Die derzeitige Studienlage erlaubt jedoch keine sichere Aussage über die Wirksamkeit dieser Dosierungsschemata. Deshalb sollte bei Patienten mit Kreatinin-Clearance < 50 ml/min eine Therapie mit intravenösem unfraktioniertem Heparin unter aPTT-Kontrolle erwogen werden, sofern die Therapiedauer nicht absehbar im Bereich von wenigen Tagen liegt.
Bei Kreatinin-Clearance < 15 ml/min sollte Enoxaparin nicht angewendet werden [15].
Monitoring:
Eine anti-Xa Bestimmung sollte bei Patienten mit Niereninsuffizienz (insbesondere bei Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) durchgeführt werden. Bei hochgradiger Niereninsuffizienz ist mit einer Akkumulation über 1-2 Wochen zu rechnen. Deshalb sollte auch eine anti-Xa Bestimmung etwa 1 Woche nach Therapiebeginn erfolgen.
  • Anti-Xa-Spitzenspiegel sollten 4 h nach der s.c. Applikation gemessen werden.
    • nach Gabe prophylaktischer Dosierungen: 0,1 - 0,4 I.E. anti-Xa/ml
    • nach Gabe therapeutischer Dosierungen: 0,5 und 1,1 I.E. anti-Xa/ml.
  • Serumkalium.
Antikoagulation während Hämodialyse: Die notwendige Dosis muss individuell gefunden werden [14,15].
Schema nach Saltissi [12,13].
  • Einmalig 0,7 mg/kg (= 70 IE/kg = 0,007 ml/kg)
Alternativ: Empfehlung des Herstellers [15]
Ohne erhöhtes Blutungsrisiko
  • Einmalig 1 mg/kg (= 100 IE/kg = 0,01 ml/kg)
  • Bei Bedarf zusätzlich 0,5-1 mg/kg
Hohes Blutungsrisiko
  • Einmalig 0,5 mg/kg (doppelter Gefäßzugang)
  • Einmalig 0,75 mg/kg (einfacher Gefäßzugang)
Monitoring: besonders engmaschige Kontrolle auf Blutungszeichen. Des Weiteren sollte das Serumkalium kontrolliert werden.
Patienten mit erhöhter Kreatinin-Clearance bzw. GFR:
Bei Schwangeren sowie bei Patienten ohne Nierenversagen auf der Intensiv-Station sollte ebenfalls eine anti-Xa Bestimmung erfolgen, da höhere Dosierungen nötig sein können.
 
Referenzen
  1. Green B, Greenwood M, Saltissi D, Westhuyzen J, Kluver L, Rowell J, Atherton J. Dosing strategy for enoxaparin in patients with renal impairment presenting with acute coronary syndromes. Br J Clin Pharmacol 2005;59:281-90.
  2. Feng Y, Green B, Duffull SB, Kane-Gill SL, Bobek MB, Bies RR. Development of a dosage strategy in patients receiving enoxaparin by continuous intravenous infusion using modelling and simulation. Br J Clin Pharmacol 2006;62:165-76.
  3. Barras MA, Duffull SB, Atherton JJ, Green B. Individualized compared with conventional dosing of enoxaparin. Clin Pharmacol Ther 2008;83:882-8.
  4. Barras MA, Duffull SB, Atherton JJ, Green B. Individualized dosing of enoxaparin for subjects with renal impairment is superior to conventional dosing at achieving therapeutic concentrations. Ther Drug Monit. 2010;32:482-8.
  5. McMahon LP, Chester K, Walker RG. Effects of different dialysis membranes on serum concentrations of epoetin alfa, darbepoetin alfa, enoxaparin, and iron sucrose during dialysis. Am J Kidney Dis. 2004;44:509-16.
  6. Isla A, Gascón AR, Maynar J, Arzuaga A, Corral E, Martín A, Solinís MA, Muñoz JL. In vitro and in vivo evaluation of enoxaparin removal by continuous renal replacement therapies with acrylonitrile and polysulfone membranes. Clin Ther. 2005;27:1444-51.
  7. Lebaudy C, Hulot JS, Amoura Z, Costedoat-Chalumeau N, Serreau R, Ankri A, Conard J, Cornet A, Dommergues M, Piette JC, Lechat P. Changes in enoxaparin pharmacokinetics during pregnancy and implications for antithrombotic therapeutic strategy. Clin Pharmacol Ther. 2008;84:370-7.
  8. Robinson S, Zincuk A, Strøm T, Larsen TB, Rasmussen B, Toft P. Enoxaparin, effective dosage for intensive care patients: double-blinded, randomised clinical trial. Crit Care. 2010;14:R41.
  9. Schmid P, Fischer AG, Wuillemin WA. Low-molecular-weight heparin in patients with renal insufficiency. Swiss Med Wkly. 2009;139:438-52.
  10. Koren-Michowitz M, Avni B, Michowitz Y, Moravski G, Efrati S, Golik A. Early onset of hyperkalemia in patients treated with low molecular weight heparin: a prospective study. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2004;13:299-302.
  11. Edes TE, Sunderrajan EV. Heparin-induced hyperkalemia. Arch Intern Med. 1985;145:1070-2.
  12. Saltissi D, Morgan C, Westhuyzen J, Healy H. Comparison of low-molecular-weight heparin (enoxaparin sodium) and standard unfractionated heparin for haemodialysis anticoagulation. Nephrol Dial Transplant 1999;14:2698-703.
  13. Klingel R, Schwarting A, Lotz J, Eckert M, Hohmann V, Hafner G. Safety and efficacy of single bolus anticoagulation with enoxaparin for chronic hemodialysis. Results of an open-label post-certification study. Kidney Blood Press Res 2004;27:211-7.
  14. Czock D, Sommerer C. Niedermolekulare Heparine bei Niereninsuffizienz - Was ist bei der Anwendung zu beachten? Dialyse aktuell 2015;19(2):78-85.
  15. Fachinformation Clexane (Stand 03.2017)
 
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Letzte Aktualisierung: 05.04.2022